Selten waren die Erwartungen aus der Wirtschaft an eine neue Bundesregierung so hoch wie heute. Drei Jahre ohne Wachstum sowie internationale Verwerfungen und ein politischer Schlingerkurs haben heftige Spuren hinterlassen. Immerhin: Dass die Hängepartie in Berlin beendet ist, lässt viele Firmen neue Hoffnung schöpfen. Das geht aus dem Konjunkturindex hervor, den die Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwaben dreimal im Jahr ermittelt.
Die Stimmung in Schwabens Wirtschaft hat sich gedreht
In dieser Umfrage mit rund 830 Teilnehmern wurde nicht nur berücksichtigt, wie die Unternehmen in unserer Region ihre aktuelle Lage einschätzen, sondern auch, wie optimistisch oder eben pessimistisch sie in die Zukunft schauen. Erstmals seit einem Jahr stieg dieses Stimmungsbarometer im April über 100 Punkte. Ab dieser Marke stehen die Zeichen auf Wachstum.
Aus Sicht von IHK-Hauptgeschäftsführer Marc Lucassen könnte das eine echte Trendwende markieren: „Der mit der neuen Regierung verbundene Stimmungswechsel lässt den IHK-Konjunkturindex über die Wachstumsschwelle steigen“, sagte er am Montag zur Präsentation der aktuellen Zahlen. Mit Blick auf die kommenden sechs Monate sei zumindest „vorsichtiger Optimismus“ erkennbar.
In der Wirtschaftspolitik trauen die Deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz am ehesten zu, das Blatt zu wenden. Mit der zuständigen Ministerin Katherina Reiche (CDU) hat er zudem eine Managerin zurück in die Politik geholt, die praktische Erfahrungen auf der „anderen Seite“ gesammelt hat. Auch das kommt bei vielen Unternehmern gut an. Und da Psychologie in der Wirtschaft die halbe Miete ist, lässt sich die aufkeimende Hoffnung schon konkret messen: „Mut macht, dass erstmals seit langer Zeit wieder vermehrt über Kapazitätserweiterungen in Deutschland nachgedacht wird“, sagt Lucassen. Sprich: Anders als in den vergangenen beiden Jahren wollen Firmen wieder verstärkt im eigenen Land investieren.
Das Infrastrukturpaket könnte vielen Betrieben Aufträge bringen
Ein Hoffnungsanker ist dabei das 500 Milliarden Euro schwere Sondervermögen, das Union und SPD für die Sanierung der vielerorts maroden Infrastruktur nutzen wollen. Davon wird neben der Industrie auch das Handwerk profitieren. In dieser Branche beginnt sich der Wind ebenfalls leicht zu drehen. Für rund 18 Prozent der Betriebe hat sich die Lage schon im ersten Quartal verbessert, die Auftragsbücher füllen sich allmählich wieder. „Das Handwerk ist noch immer so gut aufgestellt, dass wir sofort Gas geben können, wenn es wirtschaftlich aufwärts geht“, sagt Ulrich Wagner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Schwaben, unserer Redaktion. Er unterstreicht aber auch, dass die Zeit drängt: „Nach zwei Jahren Stagnation ist unsere Kreativität bald aufgebraucht.“
Handwerkskammer-Präsident Hans-Peter Rauch hat durchaus das Gefühl, dass der schwarz-roten Regierung die Dringlichkeit der Lage bewusst ist: „Die Koalition im Bund hat verstanden, dass die Wirtschaft der Dreh- und Angelpunkt ist; das muss jetzt mit Leben erfüllt werden“, betont er – und schickt gleich einen Appell ans neue Kabinett hinterher: „Wir brauchen Macher und Entscheider, keine Zauderer. Wir brauchen Akteure, die anpacken.“
Erwartung an Friedrich Merz: „Entschlossenheit, Geschlossenheit – und vor allem Tempo“
Auch IHK-Präsident Reinhold Braun betont, wie fragil die derzeitige Aufbruchstimmung ist. Die regionale Wirtschaft habe weiterhin mit vielen verschiedenen Baustellen zu kämpfen. „Deutschland droht das dritte Jahr ohne Wachstum, die globalen Herausforderungen kommen noch dazu“, warnt er. Seine Erwartung an die Regierung Merz: „Entschlossenheit, Geschlossenheit – und vor allem Tempo.“
Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD stehen Wirtschaft, Arbeit und Innovation immerhin ganz oben. Neben Wirtschaftsministerin Katherina Reiche nehmen sich noch zwei weitere neue Köpfe im Kabinett dieser Themen an: Dorothee Bär soll Forschung, Technologie und Raumfahrt vorantreiben, der Ex-MediaMarkt-Manager Karsten Wildberger das neue Digitalministerium aufbauen. Dabei geht es allerdings um eher langfristige Weichenstellungen. Im Hier und Jetzt haben es die Unternehmen mit Risiken wie der unberechenbaren Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump oder der Debatte um einen höheren Mindestlohn zu tun.
„Es bedarf klarer Signale für verlässlichere und wettbewerbsfähigere Rahmenbedingungen, für einen spürbaren Bürokratieabbau und eine Entlastung bei Kostenfaktoren wie Energie und Arbeit“, stellt IHK-Präsident Braun klar. Damit der Standort Deutschland im internationalen Wettbewerb attraktiv bleibe, dürfen die im Koalitionsvertrag angekündigten Maßnahmen aus seiner Sicht nur der Anfang tiefgreifender, struktureller Reformen sein.
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