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Interview: Polizei über Grenzkontrollen: „Wir halten das nicht monatelang durch“

Interview

Polizei über Grenzkontrollen: „Wir halten das nicht monatelang durch“

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    Beamte wie diese Polizistin an der A8 bei Salzburg sind genau geschult, wen sie unter Massen an Autos bei Verdacht herauswinken.
    Beamte wie diese Polizistin an der A8 bei Salzburg sind genau geschult, wen sie unter Massen an Autos bei Verdacht herauswinken. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Welche Folgen hat die Verschärfung der Grenzkontrollen? Müssen sich Autofahrer in Süddeutschland auf längere Staus einstellen?
    ANDREAS ROSSKOPF: Ja. Autofahrer müssen mit mehr Staus rechnen. Die oberste Prämisse ist zwar, dass wir als Bundespolizei gerade den Berufspendlerverkehr und den Warenverkehr so wenig wie möglich beeinträchtigen. Aber klar ist auch: Die gesteigerten und intensivierten Grenzkontrollen, die jetzt hochgefahren werden, beeinträchtigen den Verkehr mehr als bisher. Wir werden mehr Grenzstellen kontrollieren und auch kleinere Übergänge, die bislang nicht dauerhaft besetzt waren. Trotz aller Sensibilität gegenüber dem Berufsverkehr und Grenzpendlern wird es Verzögerungen geben.

    Wie gehen Ihre Kollegen vor? Man hat oft den Eindruck, dass alle Autos durchgewunken werden.
    ROSSKOPF: Die Kolleginnen und Kollegen vor Ort sind sehr erfahren. Grenzkontrollen sind eine Kernaufgabe der Bundespolizei, auch in der Ausbildung ein Schwerpunkt. Der Verkehr wird vor der Grenze bewusst abgebremst, sodass wir eine Sichtkontrolle vornehmen können. Die Einsatzkräfte achten beim langsamen Durchfahren auf Kennzeichen und weitere Auffälligkeiten. Die große Masse wird weiterhin ungehindert weiterfahren dürfen – es sind ja meist Berufspendler, Urlauber oder Menschen, die für Besorgungen über die Grenze fahren.

    Anders scheint es bei Fernbussen wie Flixbus zu sein. Reisende berichten von langen Wartezeiten.
    ROSSKOPF: Fernbusse wie der Flixbus werden durch ihre günstigen Preise und die regelmäßigen Fahrten oft von Menschen genutzt, die unerlaubt nach Deutschland kommen wollen. Deshalb sind sie für die Grenzpolizei ein besonderer Schwerpunkt. Diese Busse werden angehalten, die Kollegen steigen ein und kontrollieren jeden Passagier. Das dauert natürlich und führt zu Verzögerungen.

    Wie sieht es bei Lkw aus? Werden da öfter Verstöße festgestellt?
    ROSSKOPF: Unsere Erfahrung zeigt, dass Lkw‑Unternehmen und Fahrer sehr bemüht sind, keine unerkannt mitreisenden Personen auf der Ladefläche zu haben. Denn es drohen hohe Strafen und auch Konsequenzen für die Fahrer. Gerade im regulären Güterverkehr von namhaften Firmen werden so gut wie keine großen Schleusungen mehr festgestellt. Die Lastzüge werden separat durchgeleitet und man schaut: Ist es eine bekannte Spedition? Sind verplombte Auflieger in Ordnung? Bei Verdacht wird kontrolliert – aber insgesamt ist das Problem dort stark zurückgegangen.

    Dagegen scheinen Kleintransporter im Visier....
    ROSSKOPF: Genau. Alle Fahrzeuge, die mehrere Personen transportieren können und bei denen man nicht ohne Weiteres hineinschauen kann, sind für uns interessant. Dazu gehören Transporter ohne Fenster oder mit abgedunkelten Scheiben. Wir müssen wissen, ob sich darin Menschen befinden, die unerlaubt nach Deutschland einreisen wollen.

    Wie wirkt sich die neue Anweisung des Innenministers bereits auf den Dienst aus?
    ROSSKOPF: Seit Mittwoch bringen wir verstärkt Kräfte in den Grenzraum – insbesondere von der Bundesbereitschaftspolizei, die für solche Lagen vorgesehen ist. Mehrere Hundert Kollegen sind auf Anreise. Die Dienststellen vor Ort stellen ihre Pläne um, teilweise auf Zwölf-Stunden-Dienste. Auch mobile Kontrolleinheiten wurden angewiesen, sich an den Grenzstellen einzufinden. Das Personal wird schrittweise verstärkt, um kleine Grenzübergänge dauerhaft zu besetzen und die Schleierfahndung deutlich zu erhöhen.

    Andreas Roßkopf ist Bundesvorsitzender des Bereichs Bundespolizei bei der Gewerkschaft der Polizei GdP.
    Andreas Roßkopf ist Bundesvorsitzender des Bereichs Bundespolizei bei der Gewerkschaft der Polizei GdP. Foto: GdP

    Wie bewerten Sie als Gewerkschafter die neue Linie?
    ROSSKOPF: Als Gewerkschaft der Polizei begrüßen wir Maßnahmen, die helfen, Migration zu steuern und unerlaubte Migration zu reduzieren. Aber: Die Belastung, die nun auf die Bundespolizei zukommt, ist enorm. Unsere Frage ist, wie lange diese hohen personellen Leistungen möglich sind. Wir können die gesteigerten Kontrollen in dieser Form nur wenige Wochen, vielleicht wenige Monate durchhalten. Die Überstunden, die nun anfallen, können nicht ins Unendliche gehen. Besonders die Bereitschaftspolizei und die mobilen Einheiten haben schon jetzt einen Überstundenberg. Das wird kritisch, wenn man den nicht mehr im nötigen Maß abbauen kann. Bisher schaffen wir die Ausweitung der Grenzkontrollen ohne nennenswerte Vernachlässigung anderer Bereiche, weil man auf die Bundesbereitschaftspolizei zurückgreifen kann. Aber das geht nur eine gewisse Zeit, ohne diese Kräfte zu überlasten. Wenn man andere heranziehen muss, drohen Defizite, zum Beispiel an Bahnhöfen oder Flughäfen.

    Was fordern Sie von der neuen Bundesregierung?
    ROSSKOPF: Deutschland braucht endlich eine moderne, flexible Grenzpolizei, die technisch auf der Höhe der Zeit ist. Wir brauchen dringend mehr technische Mittel, wie sie teilweise bereits die bayerische Grenzpolizei hat. Die Bundespolizei braucht Drohnentechnik, mobile Kontrollstellen mit moderner Kennzeichenerfassung, Geräte zum Aufspüren von Personen in Fahrzeugen von außen und eine Hightech-Überwachung grüner Grenzen. Dadurch könnte man den Personaleinsatz enorm entlasten. Die Bundespolizei hat solche Technik bereits seit 2018 erprobt und für gut befunden, aber sie wurde nicht angeschafft. Große, auch unwegsame Strecken können hervorragend überwacht werden. Europäische Länder von den Niederlanden bis zu Rumänien sind hier Deutschland weit voraus.

    Sind die Fragen der Rechtslage zur Zurückweisung von Schutzsuchenden ausreichend geklärt?
    ROSSKOPF: Seit Mittwoch gibt es eine klare Rechtsvorgabe: Auch Asyl- und Schutzsuchende dürfen zurückgewiesen werden, mit Ausnahme, sie sind offensichtlich krank, schwanger oder reisen mit kleinen Kindern. Die spannende Frage wird sein, ob unsere Nachbarländer abgewiesene Personen zurücknehmen oder die Rücknahme verweigern. Bisher hatten wir sehr gute Erfahrungen und klare Absprachen im Rahmen des europäischen Rechts. Jetzt beginnen wir, nach nationalem Recht zu handeln. Es bleibt abzuwarten, ob die Absprachen der neuen Regierung ausreichen, damit die Bundespolizei ihre Arbeit weiterhin problemlos ausführen kann. Aber klar ist: In der Intensität, wie sie jetzt begonnen wurde, können unsere Kräfte das an den Grenzen nicht monatelang durchhalten. Der Bund muss endlich massiv in technische Ausstattung investieren.

    Zur Person Andreas Roßkopf ist Bundesvorsitzender des Bereichs Bundespolizei der Gewerkschaft der Polizei, GdP.

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